In unserer Miniserie über Kunststoffe geht es heute um Polyurethan – oder die beste Emmentaler-Käse-Imitation
Polyurethane (Kurzzeichen PUR; im Sprachgebrauch auch PU) sind Kunststoffe oder Kunstharze. Einer der in Deutschland vielleicht beliebtesten Anwendungen für PU ist der Fußball.
Während bis etwa 1937 synthetische makromolekulare Stoffe nur durch Polymerisationen und Polykondensationen hergestellt wurden, kam als dritte und neue Möglichkeit gegen Ende der dreißiger Jahre die Polyaddition hinzu. Dabei werden polyfunktionelle Verbindungen durch reine Additionsreaktionen miteinander verknüpft.
Die Grundlagen dieses Verfahrens entwickelten ab 1937 Otto Bayer (1902 – 1982) und seine Mitarbeiter im I.G. Farben Werk Leverkusen (ehemals Bayer AG, anschließend Bayer MaterialScience AG und heute Covestro). Diese Verfahren führten mit dem Diisocyanat–Polyadditionsverfahren zu den Polyurethanen (PUR), einer neuen Klasse von hochmolekularen Stoffen.
Ein weiterer wichtiger Meilenstein in der Polyurethanchemie war 1941 ein „fehlgeschlagener“ Versuch: Bei manchen Umsetzungen von Polyestern und Diisocyanaten erhielt man ein mit Blasen durchsetztes Produkt, das die Prüfstelle in Leverkusen mit der scherzhaften Bemerkung charakterisierte: „Allenfalls brauchbar zur Herstellung von Emmentaler-Käse-Imitationen“. Die Ursache der Blasenbildung wurde jedoch bald gefunden und aus der Not wurde dann eine Tugend gemacht, indem man bei der Diisocyanat-Umsetzung kleine Anteile Wasser zusetzte und damit das Schäumen steuerte.
Polyurethane (Kurzzeichen PUR; im Sprachgebrauch auch PU) sind Kunststoffe oder Kunstharze. Die Eigenschaften von PU können in einem weiten Rahmen variieren. Je nach Vernetzungsgrad und/oder eingesetzter Isocyanat- oder OH-Komponente (Hydroxylgruppe) erhält man Duroplaste, Thermoplaste oder Elastomere. Eben das macht diese Kunststoffsorte so interessant und vielseitig.
Im Jahr 1943 wurden aus Polyurethan-Hartschäumen mit dem geschützten Namen „Moltopren“ Propellerblätter, Landeklappen und Schneekufen für Flugzeuge hergestellt. Seit 1960 ist Schaumstoff das größte Einsatzgebiet und mengenmäßig bis heute am wichtigsten. Die ungewöhnliche Vielfalt der möglichen Systeme hat zu zahlreichen Anwendungen geführt. Polyurethane werden als Formmassen zum Formpressen, als Elastomere (vernetzte und thermoplastische), als Weich- oder Hartschaumstoff oder Strukturschaumstoff, als Gießharze, als textile, elastische Faserstoffe, PU-Lacke und als PU-Klebstoffe verwendet.
Einer der in Deutschland vielleicht beliebtesten Anwendungen für PU ist der Fußball. Er feierte seine Premiere 1986 mit dem Anpfiff der WM in Mexiko: der Azteca® (Hersteller Adidas), der erste vollsynthetische Fußball aus PU. Die gute alte Lederkugel hatte ausgedient und seitdem erhöht PU die Strapazierfähigkeit moderner Bälle und reduziert deren Wasseraufnahme drastisch.
Anwendungsbereiche für PU:
- Bau & Konstruktion – Dichtungen, Dämmstoffe, Fußböden, Lacke, Dichtstoffe
- Elektrik & Elektrotechnik – Umgießen/Ummanteln von elektrischen und elektronischen Bauteilen
- Mobilität & Transport – Autositze, diverse Karosserieteile (Stoßstangen), Armaturenbretter, Prototypenbau
- Sport & Freizeit – Schuhsolen, Skier, Laufbahnen in Stadien, Fußball, Bowlingball Ummantelung, Gummistiefel, Skateboard- und Inlineskaterollen
- Wohnung & Haushalt – Haushaltsschwamm und sonstige Reinigungsmittel
- Pharma & Kosmetik – Bestandteil von Farbkosmetik-, Hautpflege-, Haarpflege- und Sonnenschutzprodukte
- Gesundheitswesen – Wundauflagen, Ummantelung von Silikonimplantaten
2-Komponenten PU-Systeme (2K PU-Systeme) sind klassische Polyadditionsklebstoffe, die weite Anwendung im Bereich struktureller Verklebungen z.B. im Fahrzeugbau finden. Der Austausch des oberflächenmodifizierten Standard-Füllstoffes Kalziumkarbonat gegen oberflächenmodifizierte HPF Füllstoffe in einem reaktiven 2K PU Klebstoffsystem ist problemlos möglich und ergibt deutlich bessere Performance der Klebeverbindung. Der Einsatz von oberflächenbeschichteten langnadeligem Wollastonit ergibt eine gesteigerte Zugscherfestigkeit der Verklebung im Vergleich zum Standard-Füllstoff.
Speziell die 2K–PU High Solid-Lacke werden aufgrund ihrer guten Korrosionsschutzwirkung und optischen Eigenschaften sowie Unempfindlichkeit gegenüber mechanischen Belastungen als Decklack für hochwertige Industriegüter eingesetzt. Typische Anwendungen sind z.B. Nutzfahrzeuge und Stahlbauteile. Der VOC-Richtlinie zur Reduktion der Emission von flüchtigen organischen Verbindungen in Anstrichstoffen sind High Solid-Systeme eine hervorragende Möglichkeit für ein VOC-konformes Lackieren. Der Einsatz von silanisierten Anhydrit-Variante, basierend auf einem natürlichen Kalziumsulfat, bietet die Möglichkeit, mit guten optischen, mechanischen und Korrosionsschutz-Eigenschaften ergiebiger zu formulieren und dabei den VOC-Gehalt zu verringern. Des Weiteren werden die Lackviskositäten durch Anhydrit erniedrigt und erzeugen sehr gute Oberflächeneigenschaften.
Extreme und gegensätzliche Umweltbeanspruchungen zehren an den riesigen Rotorblättern von Windenergieanlagen (WEA). Bei den Off-Shore Anlagen stellt die Regenerosion dabei eine der größten Belastungen dar. Durch den Einsatz von speziell modifiziertem Wollastonit und kantigem Quarzfeinstmehl im 2K-PU Porenfüller des Beschichtungssystems kann die Beständigkeit gegen Regenerosion verbessert und mit einer gezielten Oberflächenbehandlung dieser Wollastonite nochmals gesteigert werden.
Durch den Einsatz von speziell abgestimmtem oberflächenmodifiziertem Edelkorund und Nephelinsyenit kann eine exzellente Transparenz und verbesserte Kratzunempfindlichkeit erreicht werden. Die Oberflächenbeschaffenheit, speziell die Mattierung, kann gut eingestellt und der Festkörperanteil im wässrige 2K-PU Klarlacksystemen erhöht werden.
Last but not least bietet der Einsatz von langnadeligem Wollastonit in Automobilteilen aus PUR entscheidende Vorteile hinsichtlich Verbesserung der Zugfestigkeit, gute optische Eigenschaften und sehr gute Hochglanzlackierbarkeit. Solche Karosserieteile aus dem hochwertigen PUR werden u.a. für hochpreisige Automodelle, wie z.B. der Audi R8, gefertigt.
Wichtige Quarzwerke-Produkte für PU: TREMIN®, TREFIL®, SIKRON®, MICROSPAR®, SEPASIL®, TREMINEX®
Weitere Informationen dazu finden Sie auf der Homepage . Der nächste Blog-Artikel „Füllstoffe in Kunststoffen“ beschäftigt sich mit PMMA, u.a. auch als Plexiglas® bekannt.