In Asien angekommen
Unsere Division 3 ist seit der Kunststoffmesse K im Jahr 2010 als „HPF – The Mineral Engineers“ unterwegs. Die Internationalisierung im Namen und Logo war ein wichtiger Schritt, um international noch besser als Anbieter von Systemlösungen mit mineralischen Rohstoffen wahrgenommen zu werden.
In den vergangenen elf Jahren haben die Kollegen der High Performance Filler Division dieses hohe Ziel erreicht. Um auch den starken asiatischen Markt bedienen zu können, gibt es seit fünf Jahren in Korea einen Vertriebs und einen Produktionsstandort und eine eigene Webseite www.hpfminerals.kr/en.
Süd-Korea – klein aber oho
Süd-Korea hat 52 Mio. Einwohner, wovon 10 Mio. alleine in Seoul, der Hauptstadt, und 25 Mio. in der Metropolregion leben. Mit 100.000 km2 ist Korea flächenmäßig eher ein kleines Land auf der Höhe von Südjapan und Sizilien. Korea hat sich in den 1960er Jahren in einem rasanten Tempo zu einer der bedeutendsten Volkswirtschaften der Welt entwickelt, die vor allem in der elektronischen Industrie eine starke Stellung erreicht hat.
Die Strategie, dass unsere HPF Süd-Korea als Standort wählte, war also richtig. Dr. Jörg Ulrich Zilles, Leiter des Geschäftsbereichs HPF, hat den Aufbau in Korea vom ersten Tag an begleitet.
Am 15. Juli 2016 wurde die HPF Minerals Limited in Seoul gegründet und schon im September nahm das Vertriebsteam vor Ort die Arbeit auf. Die Quarzwerke Gruppe hatte bis dato Standorte in West- und Osteuropa sowie in Russland. Warum fiel die Wahl des neuen Standortes auf Südkorea?
Zum einen ist Ostasien ein riesiger Markt mit – global gesehen – existenzieller Bedeutung. Zum anderen zeigt diese Region weiterhin signifikante Wachstumsraten, nachhaltig getrieben durch das GDP-Wachstum in China. Vor Ort in Asien zu sein und an diesem Wachstum teilzunehmen, war eine sinnvolle und notwendige unternehmerische Entscheidung. Die Wahl fiel auf Korea, weil es hier ein wirtschaftliches und politisches System gibt, das dem europäischen sehr ähnlich ist. Wir bewegen uns also in einem recht sicheren Umfeld, das auch die Mineral verarbeitenden Unternehmen langfristige Planungssicherheit annehmen lässt.
Des Weiteren betreiben Korea und Deutschland seit den 70er Jahren einen regen Austausch, sodass die Länder sich nicht grundlegend fremd sind. Es gibt ein gegenseitiges Basisverständnis der beiden unterschiedlichen Kulturen.
Im ersten Quartal 2021 erfolgte dann auch der Produktionsstart im Werk Dangjin. Welche Märkte werden zukünftig direkt aus Dangjin beliefert?
Das Werk Dangjin erweitert unsere Produktionskapazitäten nach Ostasien, die hier in Deutschland am Limit sind. Es ist im Prinzip eine modernere Kopie unseres HPF-Werks in Frechen und somit in der Lage, alle hier hergestellten Materialien auch in Ost-Asien zu produzieren. Hauptsächlich gehen die dort produzierten Produkte in Elektro und Elektronik, Elastomere sowie spezielle Farben und Lacke. Ich erwarte aber, dass mit dem lokalen Standort auch weitere wichtige regional spezifischen Anwendungen hinzukommen, wenn die Basisauslastung erst einmal erreicht sein wird.
Süd-Korea konnten wir 2018 durch die olympischen Spiele kennen lernen – zumindest über die TV-Bildschirme. Mit asiatischen Großstädten verbinden wir Europäer oft „laut, unübersichtlich und voll“. Ist das wirklich so? Wie haben Sie Seoul und unseren Werksstandort Dangjin während ihrer Aufenthalte vor Ort erlebt?
Seoul ist eine sehr lebendige Megacity. Mit der Incheon-Region zusammen wohnen hier mehr als die Hälfte der Südkoreaner. Sie ist das kulturelle, politische und wirtschaftliche Zentrum des Landes. Wie jede Megacity hat jedes Viertel sein eigenes Zentrum. Es gibt ein ausgezeichnetes ÖPNV-System, dennoch benutzen viele Pendler das Auto und die Fahrzeiten in der Stadt sind unberechenbar. Das führt zu diesem Bild des lauten und unübersichtlichen. Durch die gelassene Art der Koreaner ist dies jedoch für keinen ein Problem. Alles ist wohlorganisiert und alle halten sich an die geltenden Regeln. Ich habe mich noch nie unsicher in Süd-Korea gefühlt. Die Kriminalitätsrate ist vergleichsweise gering und die Menschen sind immer freundlich und hilfsbereit. Unser Vertriebsbüro liegt mitten im Stadtteil Gangnam, einem wichtigen Zentrum für repräsentative Unternehmenssitze, aber auch Korean-Beauty [Anm. d. Red.: Schönheitskliniken] und Vergnügen.
Unser Produktionsstandort in Dangjin ist nur 80 km südöstlich davon gelegen, die Provinz gilt aber schon als strukturschwache Region. Aus unserer Sicht ist dies nicht nachzuvollziehen, da z. B. der von allen asiatischen Häfen aus angelaufene Hafen Pyeongtaek nur ca. 20 km von uns entfernt liegt und wir damit logistisch optimal aufgestellt sind. Fakt ist aber, dass die Menschen hier weniger dicht zusammenleben als in Seoul und alles eher einen kleinstädtischen Charakter hat. Hier ist es schon etwas schwieriger sich nur mit Englisch durchzuschlagen, geht aber irgendwie trotzdem immer. Industriell ist diese Gegend aber hochbedeutsam, da sie zum Beispiel mehrere große Stahlwerke der Hyundai Steel beherbergt.
Unterscheidet sich der Arbeitsalltag in Korea von unserem?
Zunächst unterscheidet sich die Organisationsform und der „alte“ Führungsstil von unserem derzeitigen. Bis vor wenigen Jahren waren streng altershierarchische Strukturen in allen Firmen die Regel. Bis ins Detail wurde Top-Down kommuniziert und entschieden. Die Mitarbeiter kamen morgens vor dem Vorgesetzten in die Firma und gingen abends nach ihm. Dies führte zu einem massiven zeitlichen Einsatz der Mitarbeiter, ohne die Produktivität oder Effizienz im Auge zu behalten. Das Zeitproblem hat sich durch die neuen Arbeitszeitregelungen mittlerweile deutlich abgemildert, jedoch ist hiermit noch keine Effizienzsteigerung zu beobachten. Diese Veränderung der Unternehmens- und Arbeitskultur wird das Land und uns noch einige Jahre beschäftigen. Auf der anderen Seite ist die Arbeitskultur aber auch von einer „can-do“ Mentalität geprägt, was heißt, dass alles irgendwie möglich gemacht wird. Das gleicht dann die teilweise mangelnde Effizienz wieder sehr versöhnlich aus.
Sie sind in den letzten Jahren viele Male aus den verschiedenen Gründen nach Korea gereist. Welches Ereignis / welche Begebenheit ist ihnen am meisten im Gedächtnis geblieben?
Das ist insbesondere unsere Feier zur Grundsteinlegung mit ca. 100 Gästen, die unter dem Motto “Ost und West, Tradition und Fortschritt“ stand. Ein perfektes Beispiel hierfür war der traditionelle koreanische Trommler, der die bösen Geister vom Grundstück vertreiben soll, in Kombination mit einer fünf mal drei Meter hohen LED-Videomatrix, auf der er überlebensgroß dargestellt wurde. Mit dem mächtigen Sound der Trommel war das sehr beeindruckend.
Ein Detail, das mich persönlich immer wieder zum Lachen bringt, ist die notwendige Auseinandersetzung mit koreanischen Schriftzeichen über Translator- oder ähnlich Apps. Da zum Beispiel das sogenannte Dusch-WC oft keine Piktogramme auf dem Bedienpanel aufweist.