
Auf den Spuren der Ur-Mügelner
Archäologen haben bei Mügeln eine frühbronzezeitliche Siedlung entdeckt. Sie stießen auf rätselhafte Gruben und kratzten einen Mahlstein aus dem Kaolin.
Fast 10 000 Funde konnten bei den archäologischen Grabungen auf dem sogenannten Abbaufeld 2 Schleben/Crellenhain bei Mügeln bisher freigelegt werden. Das Kemmlitzer Kaolinwerk plant auf dem Areal die Erweiterung des Kaolinabbaus. Deshalb sind die Archäologen des Landesamtes für Archäologie Dresden bereits seit 2011 auf dem künftigen Abbaufeld zu Gange. „Es handelt sich hier mit bislang zusammen über sieben Hektar Grabungsfläche um eine der größten Mittelsachsens. Wir bewahren Dinge vor dem undokumentierten Verschwinden“,
bringt Harald Stäuble, Referatsleiter Großprojekte im Landesamt für Archäologie, die Arbeit der Wissenschaftler auf den Punkt. Immerhin stießen die ersten archäologischen Voruntersuchungen in Schleben/Crellenhain im Jahr 2011 auf menschliche Besiedlung in der Mittel- und Spätbronzezeit zwischen 1500 und 800 vor Christus. „Das Besondere ist, dass wir ein riesiges Areal mit Speichergruben aufgedeckt haben. Sie wurden als Getreidesilos oder Erdkeller verwendet. Bis jetzt sind es neben anderen Grabenkomplexen etwa 100 Gruben“, informiert Grabungsleiter Germo Schmalfuß. Es sei spannend, nachzuweisen, dass die Menschen zu dieser Zeit bereits das Kaolin genutzt haben. Entdeckt wurden zudem zylinderförmige Anlagen, die sich nicht von oben verschließen lassen. „Wir wissen nicht, wofür sie verwendet wurden.“
Nachgewiesen wurde zudem ein Pfostenbau aus dem sogenannten Endneolithikum,
also dem Ende der Jungsteinzeit im Übergang zur Bronzezeit um 2000 vor Christus. Neben vielen Keramikscheiben wurde beispielsweise auch ein gut erhaltener bronzezeitlicher Mahlstein für Getreide ausgegraben, dessen Alter heute auf 4000 Jahre datiert wird. Mit einem Schaber aus Feuerstein, der beispielsweise zum Schaben von Tierfellen genutzt wurde, lieferten die Archäologen den Beweis für eine kontinuierliche Nutzung von Steingeräten von der Jungsteinzeit bis in die Bronzezeit hinein. „Für mich faszinierend, dass über so lange Zeiträume die menschliche Kulturgeschichte hier gewirkt hat. Es ist spannend, unter die uralte Kulturlandschaft zu schauen“, staunt Christoph Heiermann, Referatsleiter und Pressesprecher im Landesamt. Der Fund eines Steinbeiles, das in einer bronzezeitlichen Grube zum Vorschein kam, zeige, dass sich die Lebensweise von der Steinzeit bis zur Bronzezeit kaum geändert habe. Was den Archäologen bisher allerdings noch nicht gelang, ist der Nachweis von Hausgrundrissen.
Und die Experten wiesen anhand der Grabungen einen historischen Fernhandelsweg nach, der etwa von 1250 bis 1350 nach Christus genutzt wurde. In Schleben/Crellenhain, wo voraussichtlich noch bis Ende Oktober, Anfang November gearbeitet wird, befindet sich eine der wichtigsten bronzezeitlichen Siedlungen Mittelsachsens. „Es gibt wenig Vergleichbares, schon gar nicht so großflächig.“ Darüber sind sich die Archäologen vom Landesamt in Dresden einig. Nachgedacht werde bereits darüber, nach Abschluss der Arbeiten die Funde bei Interesse der Öffentlichkeit in Mügeln vorzustellen. Das taten die Archäologen schon einmal nach Abschluss der archäologischen Grabungen im Zusammenhang mit dem Ausbau der Staatsstraße 31.
Text: Heinz Großnick, Oschatzer Allgemeine
Fotos: Sven Bartsch
OAZ-Redakteur Heinz Großnick im Gespräch mit Grabungsleiter Germo Schmalfuß, dem Leiter für Großprojekte beim Landesamt für Archäologie Sachsen Harald Stäubler und Referatsleiter Christoph Heiermann (von links). Foto: Sven Bartsch
Harald Stäubler und Germo Schmalfuß (rechts) begutachten einen frühbronzezeitlichen Fund. Dabei handelt es sich um einen relativ gut erhaltenen und etwa 4000 Jahre alten Mahlstein für Getreide. Foto: Sven Bartsch
Germo Schmalfuß, Harald Stäubler und Christoph Heiermann (von links) vom Landesamt für Archäologie Sachsen in Dresden begutachten eine Grabungsstelle im künftigen Kaolintagebau Schleben/Crellenhain. Foto: Sven Bartsch