5 Fragen 5 Antworten mit Dr. Jörg Ulrich Zilles, Leiter Forschung und Entwicklung bei den Quarzwerken
In Ihrer Abteilung „Forschung und Entwicklung“ werden die Produkte der Quarzwerke weiterentwickelt und Innovationen geschaffen – das klingt nach ziemlich komplexen Aufgaben. Was genau passiert an Ihrem Arbeitsplatz?
Die Arbeit in meiner Abteilung ist in der Tat sehr vielschichtig und abwechslungsreich. Die fachlich komplexen Details der Entwicklung allerdings werden von meinen Kolleginnen und Kollegen in den jeweiligen Fachbereichen ausgearbeitet. Meine Aufgabe ist es eher, die Projekte und die Abteilungen zu strukturieren, planen und zu koordinieren. Zusammen mit den Spezialisten begleiten wir die Projekte von der Idee bis zur Betreuung der Tests beim Kunden.
So eine Entwicklung beginnt in der Regel mit der Erarbeitung und Auswahl von Ideen. Das ist bei uns als kontinuierlicher und strukturierter Prozess fest etabliert. Nach Anfertigung von Markt- und Machbarkeitsstudien erfolgt die Bewertung der Projektideen gemeinsam mit den Bereichs- und Vertriebsleitern sowie der Geschäftsführung. Daran schließt sich dann die Umsetzung in konkrete Produkte an. Zur Umsetzung der ausgewählten Projektideen müssen anschließend die personellen und finanziellen Ressourcen geplant werden. Das kann in der Umsetzungsphase neuer Produkte auch zu größeren Investitionen führen. Wenn das der Fall ist, werden diese von mir auch angestoßen und begleitet. Neben der Koordination der Aktivitäten in meinen eigenen Abteilungen gilt es dann, die Projekte mit unseren Werken, den Planern, dem Einkauf und anderen beteiligten Fachabteilungen umzusetzen. Zu guter Letzt werden die neuen Lösungen vom Vertrieb und Marketing koordiniert und gemeinsam mit den Entwicklungsabteilungen auf dem Markt, auf Messen, Tagungen, durch Veröffentlichungen oder mit interessierten Kunden in Einzelgesprächen vorgestellt. Darauf folgen in der Regel weitere Entwicklungszyklen, in denen dann individuelle Anpassungen der Produkte auf die Bedürfnisse einzelner Kunden durchgeführt werden.
Als Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung sind Sie ziemlich viel unterwegs. Was machen Sie auf Ihren Geschäftsreisen?
Die Reisen haben sehr vielschichtige Gründe und führen mich in nahezu alle Regionen der Erde. Ein wichtiger Anlass ist zum einen die Auswahl und Beurteilung neuer oder alternativer Rohstoffquellen für unsere Produkte. Ein weiterer Grund ist die Aufnahme neuer und aufwendiger Entwicklungsimpulse direkt beim Kunden und das insbesondere in der Region Asien. Dort haben wir seit Anfang 2017 selbst eine Niederlassung, um dort den Markt wirklich intensiv betreuen zu können. Außerdem möchten wir durch Geschäftsreisen Entwicklungskooperationen mit Instituten und Dienstleistern anstoßen sowie neue Produkte auf Messen und Tagungen vorstellen, beispielsweise durch Messestände, Vorträge und Veröffentlichungen. Innerhalb unserer Branche, aber auch mit unseren Kunden und Verbänden ist auch die Kontaktpflege von großer Bedeutung. Und natürlich reise ich auch häufig an einen unserer 34 Standorte, um mich dort mit den Kollegen abzustimmen. Insgesamt bin ich circa ein Drittel meiner Arbeitszeit unterwegs. Das Interessante an den Reisen sind natürlich – neben den fachlichen Inhalten – immer auch die individuellen kulturellen Besonderheiten der Länder und Regionen.
Die Hochleistungsfüllstoffe und Additive der Quarzwerke-Division HPF The Mineral Engineers gehören zu den innovativsten Produkten der Quarzwerke. Was sind derzeit die neuesten Produkte, an denen Ihnen besonders viel liegt?
Das sind vor allem die Produkte, die es gerade aus der Entwicklung geschafft haben. Die sind quasi den Kinderschuhen entwachsen und werden jetzt auf dem Markt eingeführt. Ich habe aktuell drei Beispiele von Produkten, die man dann fast schon als eigene Kinder betrachtet. Das ist einmal die Produktserie SILATHERM®. Die Serie wurde mit dem Ziel entwickelt, die Wärmeleitfähigkeit von Kunststoffen, die an sich sehr wärmeisolierend sind, deutlich zu erhöhen. Gleichzeitig sollen dabei die elektrisch-isolierenden Eigenschaften der Kunststoffe beibehalten werden. Das sind Additive, mit denen den Kunststoffen neue Eigenschaften beigebracht werden und die damit zu völlig neuen Lösungskonzepten beitragen, wie z.B. im Bereich der LED-Beleuchtung, der Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik, der E-Mobilität aber auch in der Spannungstechnik.
Das zweite Beispiel mit einer völlig anderen Anwendung ist unsere Produktlinie MICROSPAR®. Das sind sehr reine und feinste Mineralmehle, die im Bereich Dentalmaterialien eingesetzt werden, beispielsweise für Zahnfüllungen und Kunstzähne. Das Material muss sehr belastbar sein, um den starken Druckbelastungen beim Kauen standzuhalten. Das Besondere: Die Produkte können die natürliche Anmutung von Zahnschmelz und Dentin imitieren und sind damit optisch nicht mehr vom echten Zahn zu unterscheiden.
Die dritte und allerneuste Produktserie nennt sich ACRYSMART®. Das ist ein Material, dass Acrylglas temperaturabhängig eintrüben kann und damit einen adaptiven Sonnenschutz bietet. Die Anwendungen liegen hier von Oberlichtern und Lichtbändern bis hin zu Gewächshäusern und Überdachungen.
Sie begleiten die Quarzwerke mittlerweile seit vielen Jahren und haben dementsprechend schon einiges an Unternehmensgeschichte miterlebt. Wie hat sich der Bereich Forschung und Entwicklung im Laufe der Zeit verändert?
Ich habe bereits im Jahr 2004 bei der Quarzwerke GmbH als stellvertretender Leiter der Abteilung „Kundenorientierte Produktentwicklung“ angefangen. Im Laufe der Jahre haben wir das damalige Team von 17 auf heute 36 Personen vergrößert – das zeigt schon mal den Stellenwert, den die Abteilung mittlerweile für das Unternehmen hat. Wir haben systematisch und im kleinen Maßstab die neusten Produktionstechniken in der Produktentwicklung eingeführt. Diese können wir anschließend problemlos auf die Fertigung im Werk hochskalieren. So können wir dem Kunden von Anfang an garantieren, dass das erste Muster schon die Eigenschaften und die Qualität der späteren Produktion aufweist. Aber nicht nur im Bereich der eigentlichen Produktentwicklung, also der Verarbeitung von Mineralen haben wir investiert. Für mich selbst war und ist es wichtig, mit unseren Kunden stets auf Augenhöhe die Wirkung von Produktentwicklungen in deren oder vergleichbaren Systemen diskutieren zu können. Daher haben wir in einem großen Umfang in Anwendungstechnik für Lacke und Farben, Thermoplaste, Duroplaste, Gießerei und Glas investiert. Damit sind wir heute in der Lage im kleinen Maßstab die wichtigsten Kundensysteme produktionstechnisch abzubilden und essentielle Parameter der entstehenden Materialien abzuprüfen. So können wir unsere Produkte zielgerichtet entwickeln. Für all diese sehr kosten- und personalintensiven Maßnahmen hatte ich jederzeit Unterstützung von unserer Geschäftsführung. Hier wurde mit Weitsicht in unsere Zukunft investiert.
Wie wichtig ist es mit Blick auf die Zukunft für die Quarzwerke, neue Produkte und Innovationen zu entwickeln?
Technologien und die damit verwendeten Rohstoffe verändern sich mit zunehmender Geschwindigkeit. Außerdem individualisieren sich technische Lösungen immer mehr. Es gibt keine Standardantworten auf die vielschichtigen Fragestellungen unseres hochtechnologisierten Lebens. Das ist der Grund, weshalb wir uns als erstes Glied in der Wertschöpfungskette – also als Rohstoffhersteller – permanent über die Entwicklungstendenzen unserer Kunden und deren Kunden informieren. Das gilt es dann in unseren Produkten und Dienstleistungen umzusetzen. Die Veränderungen können regionale und globale Verschiebungen von Märkten, genauso wie das Aufkommen neuer technologischer Trends betreffen. Wenn wir selbst erst anfangen würden, Lösungen für Kunden zu entwickeln, wenn wir danach gefragt werden, dann würden sich diese Trends im schlimmsten Fall bereits ohne uns etablieren. Insofern ist unser Brot- und Buttergeschäft, z.B. Glas und Gießerei, eine wichtige und solide Grundlage unseres derzeitigen wirtschaftlichen Erfolgs. Dieser Erfolg wird wiederum für die Entwicklung von innovativen Lösungen in die Zukunft investiert. So kann auch der langfristige Erfolg der Quarzwerke gesichert werden.
Dr. Zilles erzählt über seinen vielfältigen Aufgabenbereich.
Die anwendungstechnischen Eigenschaften der Produkte werden anschaulich für die Kunden aufbereitet.
Bei diesem Farbmuster geht es um die Deckkraft der Farbe, die von einem Hochleistungsfüllstoff beeinflusst wird.
In dieser Form werden Kunststoffprüflinge (Schulterstäbe) hergestellt, die dann auf ihre Biege-, Zug- und Schlagfestigkeit überprüft werden. Mit dem richtigen Füllstoff können die Eigenschaften der Kunststoffe gezielt verändert werden.
Im Gießerei-Technikum werden unsere Gießereisande und ihr Zusammenspiel mit unterschiedlichen Bindern getestet.
Regelmäßig informiert sich Dr. Zilles bei seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über die Fortschritte bei der Produktentwicklung und Anwendungstechnik.